Stauseen im Alpenrhein?

geplante Staustufe bei Buchs
geplante Staustufe bei Sargans

Das 1979-er Horrorprojekt

Eine Vereinigung von Strombaronen (Liechtensteinische Kraftwerke LKW, Nordostschweizerische Kraftwerke AG, Moto-Columbus AG) reichte 1979 ein Konzessionsprojekt bei den Behörden ein. Das Projekt sah Laufkraftwerke auf der fast 30 km langen Rheinstrecke zwischen der Illmündung bei Feldkrich und Sargans vor. Jede Stufe wäre zwischen 8.6 m und 9.5 m hoch und insgesamt würden bis zu 440 GWh Strom pro Jahr produziert. Dem Konzessionsgesuch wurden 1991 Ergänzungen nachgereicht. Die Behörden schmetterten das Projekt wuchtig ab. Erwartet wurden starke negative Auswirkungen des Projektes auf die Umwelt. Obwohl die Argumente der Behörden noch heute gültig sind, streben die Strombarone in diesen Tagen danach den Alpenrhein zu verstromen.

 

Wiederbelebung des Horrorprojektes

Heute wollen die LKW und die Axpo, nach bisherigem Kenntnisstand, das Projekt in wenig abgewandelter Form reaktivieren. Und zwar haben diese Stromkonzerne den Regierungen von Liechtenstein und St. Gallen eine Projektstudie für drei neue Kraftwerkstufen zwischen Bad Ragaz/Maienfeld und Trübbach/Balzers zur Stellungnahme überreicht. Obwohl, Studie ist ein bisschen viel gesagt. Die "Studie" ist eine wenig seriöse Bachelorarbeit mit dem Ziel, Potentialabschätzungen zu machen. Dabei wurden Umweltauswirkungen nicht berücksichtigt. Der Verfasser der Projektskizze kommt zum Schluss, dass neue Kraftwerke im Alpenrhein mithelfen würden, bestehende ökologische Defizite zu eliminieren. Insbesondere könnten die unnatürlichen Wasserstandsschwankunden, die von den vielen Stauseen im Einzugsgebiet des Alpenrheins verursacht werden, vermindert werden. Ein zusätzliches Ausleitkraftwerk zwischen Domat/Ems und Mastrils könnte zur Schwallminderung beitragen. Die Kraftwerksprojekte sollen darum vertieft geprüft und weiter verfolgt werden.

Über das Radio erfuhren die Umweltverbände mehr über die Planungsabsichten der Stromkonzerne. Am Radio stritt sich LKW Chef Gerald Marxer mit Moritz Rheinberger, dem Geschäftsführer der Liechtensteinischen Gesellschaft für Umweltschutz über das Thema Energie (<<Streitgespräch>>). Der LKW Chef erwähnte, dass eine bis zwei Staustufen ökologisch verträglich realisierbar seien. Und zwar seien diesbezüglich Abklärungen mit der Internationalen Regierungskommission Alpenrhein IKRA im Gange. Die Umweltverbänden wissen dazu nichts Näheres. Nun, Staustufen im Alpenrhein werden niemals ökologisch verträglich sein (siehe unten). Ein Ausleitkraftwerk, welches den Schwall bei Reichenau ausleitet und bei Bad Ragaz wieder verlangsamt einleitet, könnte sich vorteilhaft für die Ökologie auswirken - vorausgesetzt, diverse Umweltauflagen werden erfüllt.

 

Staustufen im Rhein: wieso ein Horrorprojekt? 

Der 90 km lange Alpenrhein würde auf fast einem Drittel seiner Strecke gestaut, durch fünf Flusskraftwerke. Jede Staustufe zöge einen mehrere Kilometer langen Rückstau nach sich, der eher an Seen denn an kraftvolle Fliessgewässer erinnert. Die damalige Machbarkeitsstudie wies klar darauf hin, dass mit der Realisierung von Staustufen am Alpenrhein massive Probleme mit dem Grundwasser eingehandelt würden. Zum Beispiel bewirken Staustaufen eine Verlangsamung der Fliessgeschwindigkeit sowie Verschlammungen und Nährstoffanreicherungen. Nach gewisser Zeit verstopfen Schwebstoffe und Schlämme die Gewässersohle. Damit wird die Grundwasseranreicherung blockiert – d.h. der Eintrag von Alpenrheinwasser über die Gewässersohle ins Grundwasser. Die Erhaltung von Grundwasser in Trinkwasserqualität muss oberste Priorität haben. Denn, im Alpenrheintal liegen die grössten nutzbaren Grundwasservorkommen der Schweiz, und eine halbe Million Einwohner profitieren davon. Insgesamt würden solche Staustufen dem Alpenrhein seine Kraft und Dynamik rauben. Fliessgewässerlebensraum und damit für Flüsse typische Lebensgemeinschaften gingen verloren.

Die Behörden schätzten das Risiko der Verschlechterung der guten Grundwasserqualität als zu hoch ein. Im Rheintal liegen notabene die grössten nutzbaren Grundwasservorkommen der Schweiz. Zirka 500 000 Einwohner profitieren davon. Die Erhaltung von Grundwasser in Trinkwasserqualität ist ein zentrales Regierungsanliegen, daran führt kein Weg vorbei.

 

Gegen den Willen der Regierungen und NGOs

Die Absichten der Strombarone laufen zudem den Bestrebungen der Regierungen diametral entgegen. Die Internationale Regierungskommission Alpenrhein IRKA und die Internationale Rheinregulierung IRR möchten die Kraft und Dynamik via Umsetzung eines länderübergreifenden Konzeptes fördern. Das Konzept heisst Entwicklungskonzept Alpenrhein, kurz EKA. Dieses enthält diverse Revitalisierungsmassnahmen, allesamt priorisiert. Geplant sind 22 grosse Flussaufweitungen. Für diese Aufweitungen könnten die Behörden Mass nehmen an den bis zu 250 m breiten Mastrisler und Rhäzünserauen.

Das EKA sieht weitere Massnahmen vor, z.B. die Vernetzung des Alpenrheins seinen Seitenflüssen oder die Sanierung der schädlichen Auswirkungen der Wasserkraft. So sind heute die meisten Zuflüsse und somit Laichgründe für Wanderfische wie die Seeforellen, Bachforellen oder Felchen nicht erreichbar. Oder, die Biomasse von Gewässerinsekten und somit Nahrungsgrundlage zahlreicher Fischarten ist kaum vorhanden. Grund sind die mehrfach pro Tag erzeugten Schwallwellen durch Wasserkraftwerke. Der Schwall entsteht, wenn Wasser aus Speicherseen turbiniert wird. Während des Schwalls werden ein einzelnen Gewässern bis zu 95% der Gewässerinsekten weggeschwemmt, für Strom der vorwiegend exportiert wird!

Für die Umwelt- und Fischereiverbände ist die konsequente Umsetzung der ökologischen Massnahmen des EKA zentral, damit der Alpenrhein sich vom blutleeren Kanal zum lebendigen Gewässer wandelt. Der Alpenrhein braucht mehr Raum, Dynamik und ein natürliches Abflussregime. Die Bestrebungen der Strombarone laufen somit den übergeordneten Interessen von Regierungen und NGOs zuwider.

 <<Die Realisierung der „Stauseen“ im Alpenrhein ist, als würde man den wertvollsten Patienten während der Wiederbelebung abstechen.>>

Altes Staustufen-Projekt

Die fünf in den 80iger Jahren geplanten Laufkraftwerke am Alpenrhein.

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