Rheinkanal in den Bodensee

Um die Verlandung beim Rheindelta zu verhindern, leitet ein Vorstreckungskanal das Geschiebe in die Seemitte. Damit wird eine natürlichen Mündung verhindert. Eine ökologische Begleitplanung bringt seit 1996 ein wenig Vielfalt und Dynamik zurück.

 

Wenn der Mensch nach 1900 nicht eingegriffen hätte, würde Hard heute nicht am Bodensee liegen, sondern am Rande einer grossen Schwemmebene. Der Alpenrhein schiebt jährlich rund zwei Millionen Kubikmeter Sand und 40 000 Kubikmeter Kies von den Alpen in Richtung Bodensee.

Dass solche Geschiebemassen die Rheinmündung im Bodensee verändern, ist verständlich. Ohne künstliche Eingriffe wäre das größte Süßwasserdelta Europas ein sehr dynamischer Lebensraum mit Auwäldern, Röhricht und sich ständig verändernden Sand- und Kiesinseln.

 

Verlängerung des Rheinkanals in die Seemitte

Nach der Eröffnung des Fussacher Durchstichs im Jahr 1900 bildete sich an der neuen Rheinmündung sehr rasch ein Schwemmkegel. Es drohte die Verlandung der Hard-Fussacher Bucht und eine Zweiteilung des Bodensees. Um den attraktiven Uferbereich (ein wichtiges Naherholungsgebiet der Vorarlberger) erhalten zu können und den Hochwasserschutz zu gewährleisten, wird seit 1972 schrittweise ein Vorstreckungsprojekt realisiert. Darunter ist eine Verlängerung des Rheinkanals in Richtung Seemitte zu verstehen. Die Ablagerungsmassen des Rheins werden damit direkt in die tiefere Seemitte geleitet und der Uferbereich bleibt erhalten.

 

Ökologische Begleitplanung zur Vorstreckung

Um den künstlichen Eingriff zu kompensieren entwickelte die IRR (Internationale Rheinregulierung) 1996 ein Konzept für eine ökologische Begleitplanung. Damit soll der Mündungsbereich naturnaher gestaltet werden und der Natur Platz zurück gegeben werden. Mit verschiedenen Uferstrukturen, unterschiedlichen Böschungsneigungen und seeseitigen Flachufern werden die Vielfalt an Lebensräumen erhöht und die Lebensbedingungen von Tieren und Pflanzen verbessert. Kleine Inseln in Ufernähe bieten Vögeln Ruhe- und Rastplätze. Obwohl eine natürliche Entwicklung der Rheinmündung nicht mehr zugelassen werden kann, ermöglicht eine Dammabsenkung eine kleinräumige Dynamik, wovon Pionierarten wie der vom Aussterben bedrohte Zwergrohrkolben profitieren. Der renaturierte Deltabereich ist auch für die angrenzenden Gemeinden eine Aufwertung, weil der Erholungsbereich attraktiver gestaltet ist.

 

Natürliche Dynamik stark eingeschränkt

So gut diese Renaturierungsmassnahmen auch sind, sie sind immer noch konstruiert und künstlich. Kleinräumig kann durchaus einzelnen Arten in ihrer Existenz geholfen werden, doch die natürliche Dynamik eines Deltas ist immer noch stark eingeschränkt. Ein weiteres Problem ist der Nutzungskonflikt in diesem attraktiven Naherholungsgebiet. Mensch und Tier kommen sich in die Quere, wobei die Tiere das Nachsehen haben. Eine verstärkte Besucherlenkung verbunden mit einer strikteren Zonierung (unzugängliche Schutzzonen, Freizeitbereiche) könnte Abhilfe schaffen.

Zudem ist das «Problem» der Verlandung nicht gelöst, sondern nur aufgeschoben. Das Geschiebe wird nun in der Seemitte angehäuft und der Bodensee verlandet von der Seemitte her, anstatt vom Seeufer (was einer natürlichen Verlandung entsprechen würde). Spätestens in ein paar Generationen muss man sich erneut mit demselben «Problem» beschäftigen. Was uns heute noch nichts angeht, wird in ca.19 000 Jahren der Fall sein: Der Bodensee wird mit Alpenmaterial aufgeschüttet sein!

Weitere Informationen

Literatur:

  • Würth Bruno: Das Rheindelta: ein Bildband (1991)
  • Gerth Roland: Das Rheindelta am Bodensee (1992)
  • Internationale Rheinregulierung: Der Alpenrhein und seine Regulierung (1992)
  • Markus Grabher: Grundlagen für ein Entwicklungskonzept Naturschutzgebiet Rheindelta (1995)